Die gelbe Transparenz

UPDATE vom 6. Februar 2014 siehe unten.

 

Natürlich hat man in München ein Ohr an der Öffentlichkeit. Der (Auf-)Schrei nach Transparenz wurde vernommen. Dieser Forderung kann sich ein eingetragener Verein wie der ADAC auch nicht so einfach entziehen. Ein Unternehmen muss sich vor Wettbewerbern schützen oder Betriebsgeheimnisse wahren. Aber ein Verein? Das Problem: Transparenz gehörte nie zu den herausragendsten Eigenschaften des ADAC. Denkt man allein an die zahlreich angebotenen Versicherungen, steckt in diesem Verein zudem doch mehr Unternehmen, als in Turnvater Jahns Turnriege. Kein Wunder, dass die Gelben Engel sich nun schwer tun mit einer Antwort.

Patrick Meschenmoser (Frankfurt am Main)


(c) Patrick Meschenmoser
(c) Patrick Meschenmoser

Dabei gehen die Krisenmanagement-Rezepte des ADAC durchaus in die richtige Richtung. Die Aufklärung der Vorkommnisse ist genau das, was die Öffentlichkeit erwartet. Eine lückenlose Untersuchung hat der Club versprochen. Entscheidend aber wäre eine vorbehaltlose Aufklärung. Wortklauberei? Nicht wirklich. Die zunächst angekündigte lückenlose aber interne Untersuchung war von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Zumindest hinsichtlich der erhofften öffentlichen Reaktion. Einer Institution, deren Kommunikationschef gerade die Manipulation des nach eigenem bekunden wichtigsten deutschen Automobilpreises gestanden hat, traut man nicht zu, sich selbst zu überprüfen. Was bringt also eine lückenlose Untersuchung, wenn allgemein vermutet wird, dass die Ergebnisse nicht vorbehaltlos kommuniziert werden?

 

Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Voraussetzung für gelungenes Krisenmanagement. Das scheint dem ADAC auch ein Berater zugeflüstert zu haben, denn kurze Zeit später ließ man verlauten, dass nun externe Wirtschaftsprüfer das Schlammassel durchleuchten sollen. Die beauftragten Prüfer sind durchaus renommierte Vertreter ihrer Zunft. Doch das spielt keine Rolle. Spätestens seit Enron ist die Reputation von Wirtschaftsprüfern angekratzt, auch wenn größtenteils unbegründet. Und für die, die von Enron noch nie etwas gehört haben, prüft da ein Wirtschaftsgigant einen anderen. Bei rund 19 Mio. Mitgliedern aus allen Gesellschaftsschichten kann niemand erwarten, dass jeder das Prinzip der Wirtschaftsprüfung kennt, geschweige denn ihm vertraut. Schlechte Voraussetzungen für die Notoperation in Sachen Reputation.

 

Dabei wäre die Lösung einfach. Man nehme einen Elder Statesman (oder -woman), einen verdienten Politiker - vielleicht auch einen ehemaligen Verfassungsrichter - und gebe ihm uneingeschränkten Zugang zu den betreffenden Akten. Diese Person, die weder Inquisitor noch Vertuscher ist, die über eine historisch gewachsene Reputation verfügt, wäre unendlich glaubwürdiger. Sie wäre ein guter Makler und dennoch ein Anwalt der öffentlichen Interessen. Die Öffentlichkeit würde ihr mehr Zeit für die Aufklärung einräumen. Die einsetzende Spirale immer neuer „Enthüllungen“ würde langsamer rotieren.

 

Sicher, so ein Vorgehen bedeutet wirkliche Transparenz und birgt die Gefahr, bei der Gelegenheit auch neu hinzukommende Vorwürfe untersuchen lassen zu müssen. Unternehmen in ähnlichen Situationen haben oft Angst, dass nun zu viel Staub unter dem Teppich gefunden wird. Sie zögern zu lange oder handeln gar nicht. Manchmal aus gutem Grund. Denn: Wenn die Ursachen der Krise in der Anlage des operativen Geschäfts oder den Geschäftsprinzipien selbst begründet sind und seit jeher billigend in Kauf genommen wurden, ist an Reputation nicht mehr viel zu retten. Stichwort: Governance. Ein typisches Dilemma, dem sich Krisenmanager bisweilen gegenüber sehen.

 

Das Unternehmen um solche Untiefen herum zu navigieren, ist Aufgabe des Issues Managements. Es klopft das Unternehmen auf Reputationsrisiken ab, prüft etwa die Supply Chain auf Lieferanten, die sich möglicherweise der Kinderarbeit bedienen. Es sieht sich an, ob Umweltstandards eingehalten werden. Und es analysiert, ob die Corporate Governance dem entspricht, was man im 21. Jahrhundert von in Deutschland tätigen Organisationen, erwarten darf. Wo Issues Management ernst genommen wird, kommt es viel seltener zu echten Krisen. Und genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Organisationen, deren Governance eher lückenhaft dem Ideal entspricht, werden wohl kaum Interesse an einem nachhaltigen Issues Management haben. Das erfordert in der Konsequenz nämlich den Willen und die Fähigkeit zur Veränderung. Oder, vielleicht noch schlimmer: Man ist sich der Notwendigkeit gar nicht bewusst. Hier wird es auch bei bestem Ernstfall-Management immer wieder zu Krisen kommen. Es wird das Symptom behandelt, die Ursache bleibt.

 

Die Geschehnisse um den ADAC zeigen einmal mehr, dass kein noch so großer Riese vor einer massiven Krise gefeit ist. Gerade dann nicht, wenn er so breit in der Bevölkerung verankert ist und Glaubwürdigkeit zur Geschäftsgrundlage gehört. Sicher ist die Situation nicht existenzbedrohend. Beobachter, die anfangs analysiert haben, die Krise sei zu vernachlässigen, weil die Mitglieder im Kern ja ohnehin nur wegen der Pannenhilfe im Verein seien, haben sich dennoch schwer getäuscht. Es war vorauszusehen, dass die Investigativen nun auch diese Lebensader zum Ziel ihrer Recherchen machen. Das betrifft alle, das macht Auflage und Reichweite. Fortsetzung folgt garantiert.

 

Update vom 6. Februar 2014

 

Das "Handelsblatt" vom 5. Februar meldet, dass der ADAC auf der Suche nach einem neutralen Obmann sei. Gedacht werde auch an Theo Waigel.

 

Die vom ADAC verpflichteten Krisenberater haben nun auch den Gedanken des Elder Statesman als ehrlichen Makler und Aufklärer entdeckt. Richtig so, wie in diesem Blog-Beitrag zu lesen ist. Theo Waigel ist sicher grundsätzlich geeignet und besitzt die nötige Integrität. Ob allerdings ausgerechnet ein Bayer mit ausgezeichneten Verbindungen nach München, dem Sitz des ADAC, auch von der breiten Öffentlichkeit akzeptiert würde, bleibt abzuwarten. In dieser Situation kommt es entscheidend auf die Perzeption an und nicht notwendigerweise nur auf die Fakten und einen guten Leumund. Daran ändert auch Waigels positive Rolle, die er bei Siemens gespielt hat, nichts. Es bliebe zumindest Raum für Angriffe.