Hochmut kommt vor dem Fall. Die Häme, die dem ADAC nun aus allen Richtungen entgegen schlägt ist dann auch kaum verwunderlich. Zulange hatte sich der Club als Zentralorgan der Interessenvertretung nahezu eines Viertels der Bundesbevölkerung geriert, ohne dass dieses wirklich Teil des Willensbildungsprozesses war. Entsprechend mächtig und teilweise arrogant fiel dann auch das Gehabe etwa gegenüber Politikern aus. Die haben es dem Automobilclub allerdings auch leicht gemacht, eine enorme Machtposition aufzubauen. Zu ängstlich war man angesichts des vermeintlichen Zorns von Millionen wütender Vereinsmitglieder. Dass die überhaupt keine Verbindung zur Vereinsspitze hatten, war allerdings damals schon klar. Wenn Politiker jetzt vollmundig nach Reformen und Umdenken rufen, ist das reichlich wohlfeil.
Patrick Meschenmoser (Frankfurt am Main)
Ähnlich verhält es sich mit Journalisten, die sich nun in großer Zahl an den Münchnern abarbeiten. Der ADAC erlebt ein Phänomen, dem die meisten Sünder zum Opfer fallen, wenn ihre Verfehlungen erst einmal ins Rampenlicht der Medienschau gerückt wurden. Zu den gut recherchierten Stücken, die den Stein ins Rollen gebracht haben, und den sorgfältigen Analysen gesellen sich nun immer mehr die üblichen Empörstücke. Der Skandal wird in die Verlängerung geschrieben. Schließlich geht es um knapp 19 Millionen Betroffene. Da möchte man mit Auflage und Klickraten schon mal auf der Betroffenheitswelle surfen. Zum Skandal kommt die Skandalisierung
So berichtete unter anderem Spiegel Online Anfang Februar, der ADAC rechne die Mitgliedschafts-Kündigungen schön. Der Club spreche nur von rund 15.000 Austritten. Man entrüstet sich, dass es da ja zudem noch 55.000 unbearbeitete Anträge gebe. Aufgefallen sei die „Diskrepanz“ erst einem Verbraucher-Blog. Kein Kunststück, nimmt man einfach einmal die entsprechende Pressemitteilung des ADAC zur Kenntnis. Hier wird nämlich genau dieser Sachverhalt recht transparent dargestellt - mit detaillierten Zahlen zum Nachlesen, für jeden, der will. Dass nicht der ganze Text gleich in die Überschrift der Pressemitteilung passt, sollte man nachsehen, bei allem Verständnis für journalistischen Zeitdruck.
Man darf erwarten, dass das noch nicht alles war. Die sogenannten „Kenner der Materie“ werden sich wieder zu Wort melden (Ja, in die Kategorie gehört durchaus auch dieser Blogbeitrag, touché.) Der Rücktritt des Präsidenten wird nicht genug sein. Mehr Opfer werden gefordert werden, ein Ausräuchern der Lasterhöhle und was nicht noch alles. Jeder noch so eckige Bolzen wird nun mit Kraft durch das runde Loch des Skandals gepresst.
Ja, der ADAC hat viel falsch gemacht. Von der Selbstüberschätzung über fehlendes Issues und Compliance Management bis hin zur anfänglichen Krisenkommunikation. Jetzt aber ist etwas ins Rollen gekommen. Der Präsident wurde zum Rücktritt bewogen, wie auch immer. Früher wäre das undenkbar gewesen. Ein 10-Punkte-Plan wurde vorgelegt. Ja, die Gelben Engel haben noch einen weiten Weg vor sich. Der Neuanfang ist noch nicht geschafft und noch ein zartes Pflänzchen. Das sollte man aber eher düngen als es zu zertrampeln. Konstruktives Vorgehen ist gefragt. Dazu muss man den Verantwortliche aber auch ein wenig Zeit und Luft geben.
Die ADAC-Oberen müssen sich neben einem passenden Maß Demut jetzt auch ein dickes Fell zulegen und die angekündigten Maßnahmen schnellstens in die Tat umsetzen. Das gilt vor allem für die Benennung des Beirates und die Erarbeitung einer ordentlichen Governance. Die erste Personalie wurde mit Jürgen Heraeus heute dazu bereits bekannt gegeben. Ob er der Richtige ist, wird sich weisen. Ein der Öffentlichkeit besser bekannter Obmann, wie ursprünglich angedacht, hätte vielleicht mehr durchschlagende Wirkung. Der Weg führt aber in die richtige Richtung.